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Patronatsfest des Marianischen Messbundes Ingolstadt

Franziskanerbasilika Ingolstadt

6. Dezember 2015, 10:00 Uhr

Hl. Messe vom Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau u. Gottesmutter Maria (Gen 3, 9-15.20; Eph 1, 3-6.11-12; Lk 1, 26-38)

Homilie, gehalten von Seiner Eminenz

Kardinal Antonio María ROUCO VARELA

Meine lieben Brüder und Schwestern in Christus!

Wir feiern das jährliche Patronatsfest der Ingolstädter Messbundes, wie es die marianische Tradition dieser ehrwürdigen Vereinigung von gläubigen katholischen Christen verlangt. Gläubige, die das heilige Sakrament der Eucharistie in seiner tiefsten Mitte, nämlich die heilige Messe, innig und froh verehren. Wir feiern das Patronatsfest mit der eucharistischen Zelebration des Hochfestes der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau und Gottesmutter Maria.

Die Geschichte der Gründung dieses altehrwürdigen geistlichen Bündnisses versetzt uns in die Zeit der katholischen Erneuerung, und seine kirchen­rechtliche Entstehung führt uns hinein in die marianische Spiritualität des Franziskanerordens. Die größten Theologen dieses Ordens haben seit dem Hoch­mittelalter mit einer wahrhaft treuen und gefühlsreichen marianischen Frömmigkeit und mit einer geistig feinen Empfindsamkeit mittels einer positiven theologischen Beweisführung die Wahrheit des Dogmas der Unbefleckten Empfängnis Mariens  unbeirrt verteidigt.

Das Franziskanerkloster in Ingolstadt war seit der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ein kirchlicher Ort geworden, aus dem die apostolische und pastorale Kraft der katholischen Reformation wirkungsvoll auf eine echte und tiefe Erneuerung des kirchlichen und christlichen Lebens strahlte.

Man darf dabei nicht vergessen, wie Hubert Jedin, der Meister der katho­lischen Kirchengeschichte der Zeit des Trienter Konzils, die katholische Reform im Jahrhundert der Reformation begreift und beschreibt, nämlich als „eine innerliche Erneuerung der Kirche [...]. Inhaltlich ist die katholische Reform die aus christlicher Selbstbesinnung hervorgehende Hinwendung zum Apostolat und zur aktiven Caritas...“ (Handbuch der Kirchengeschichte, IV, 452). Der Franziskaner-Pater Johannes Nass (1534-1590), der als „Anfänger“ des Ingolstädter Marianischen Messbundes gilt, war ein unermüdlicher Beter in der Chorkappelle seines Klosters. Er betete vor der viel verehrten und wunder­tätigen Marien-Statue, die bis heute die rührende Marien-Frömmigkeit und die kindliche Liebe zur Mutter Gottes, unseren himmlischen Mutter, seitens der Mittglieder des Ingolstädter Messbundes in aller Welt an sich zog. Pater Innozenz Mayr schließlich, der eigentliche Gründer des Messbundes, der als mustergültiger Novizenmeister in seiner bayerischen Franziskanerprovinz galt und ebenfalls ein glühender Marien-Verehrer war, ergriff geistreiche Initiativen zur Förderung der häufigeren Feier der heiligen Messe am Marienaltar in der Klosterkappelle. Er verstand es, so die Marien­frömmigkeit und die eucharistische Frömmigkeit zu einem über Jahrhunderte andauernden innenkirchlichen und missionarischen Impuls zu verbinden. Damit konnte man zuerst eine geistig und menschlich gesunde Erhaltung des nach dem Trienter Konzil erneuerten kirchlichen Lebens fördern und absichern, und zweitens öffnete man gleichzeitig dem neu entdeckten und weit entfalteten pastoralen und missionarischen Dynamismus der Moderne der katholischen Kirche das Tor „der neuen Zeit“. Beide Ziele der katholischen Reform wurden auf diese Weise seelsorglich gestützt. Es ging dabei nämlich um ein christliches Leben, welches aus der Glaubensfülle des Evangeliums innerhalb einer wahrhaft erneuerten Kirche, d. h. der geistig erneuerten „einen heiligen katholischen und apostolischen Kirche“,  apostolisch immer kräftiger würde.

Es ist heute noch herzbewegend, wie im täglichen Gebet die Mittglieder des Marianischen Messbundes in Ingolstadt und in den umliegenden Gegenden den eucharistischen Glauben in seiner charakteristisch katholischen Mitte bekennen und bekräftigen, und wie dies gleichzeitig in Verknüpfung mit der Anerkennung der heilsgeschichtlichen Rolle Marias geschieht. So wird heute noch gebetet: „In meinen Gedanken will ich mich mit allen verbinden, die an diesem Tag irgendwo auf der Erdkreis an einer heiligen Messe teilnehmen, die nach der Meinung des Marianischen Messbundes gefeiert wird. Zugleich bekräftige und erneuere ich meinen festen Glauben an die unblutige Vergegenwärtigung des Kreuzopfers Christi in der Heiligen Messe... In allen Lebensnöten, besonders in der Stunde meines Todes möge mir – auf die mütterliche Fürsprache Mariens – der Beistand des Himmels spürbar werden“. Es ist also kirchen- und geistesgeschichtlich nicht verwunderlich, wenn der marianische und eucharistische Geist der Gründungsidee von Pater Innozenz Mayr die Jahrhunderte bis zum heutigen Tag in unvermindert apostolischer Anziehungskraft überdauerte, einschließ­lich der dramatischen Epoche der beiden Weltkriege und der Verfolgung der Kirche durch die Nationalsozialisten  (1914-1945). Anderseits scheint es uns, den heutigen Hirten der Kirche, selbstverständlich, dass die Päpste des Zwanzigsten Jahrhunderts, besonders der hl. Pius X., der hl. Johannes XXIII. und vor allem der hl. Johannes Paul II., den Marianischen Messbund in seinem kirchlichen und christlichen Wert für das Apostolat unter den dramatischen Umständen des vergangenen Jahrhunderts hochschätzten und den Gläubigen in aller Welt empfohlen haben. Und was man von Pius XII., dem Deutschland so nahen Papst, in den schwierigen Jahren vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg sagen kann im Hinblick auf seine Beziehungen zum Marianischen Messbund, ist kaum zu übertreffen, was die außerordentliche Herzlichkeit und die persönliche Liebenswürdigkeit angeht.

Nun stehen wir wieder vor dem Altar der Messbund-Madonna an der „Unterfranziskaner Kirche“, dem geistig-religiösen Mittelpunkt des von den Gläubigen viel besuchten Marien-Wallfahrtsortes mit der hier hochverehrten „Schutter-Mutter“. Übermorgen werden fünfzig Jahren seit dem feierlichen Abschluss des II. Vatikanischen Konzils vergangen sein. Seine Lehre „über die selige jungfräuliche Gottesmutter Maria im Geheimnis Christi und der Kirche“ krönt theologisch seine dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“, während die Lehre des Konzils über die heilige Eucharistie – wie sie lichtvoll in derselben Konstitution „Lumen Gentium“ und vor allem in der Konstitution über die heilige Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ dargestellt wird – das theologische Schlüsselverständnis für die Sakramentalität der kirchlichen Communio geworden ist. Um diese zwei zentralen Hauptpunkte der Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzil kreist die mehr als zweihundertjährige Geschichte des Marianischen Messbundes mit seinem geistigen und apostolischen Selbstverständnis inmitten des Lebens und Handelns der kirchlichen Gemeinschaft und mit ihrer heute noch lebendig missionarischen Ausstrahlungsmacht. Eine Laienspiritualität, die hochaktuell für die Kirche von heute ist und für ihr heilsgeschichtliches Wirken unter unseren Zeitgenossen! Hochaktuell für ein neues apostolisches Engagement seiner lieben Mittglieder an der dringlich gewordenen Neuevangelisierung unserer heutigen Welt in der Diözese Eichstätt, in Bayern, in Deutschland, in Europa und in der ganzen Weltkirche! Es steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als das Heil des Menschen – des Menschen von gestern, des jetzigen Menschen und des Menschen von morgen; es geht um das wahre Heil, das alle Räume und alle Zeiten transzendiert. Bei der gläubigen Betrachtung des Geheimnisses der Unbefleckten Empfängnis Mariens, wie es aus den biblischen Lesungen des Buches Genesis und des Lukas-Evangeliums hervorleuchtet, sieht man mit aller wünschenswerten Klarheit, wo die Ursache – die letzte Ursache – unseres Unheils und wo das Verderbnis in der Zeit und in der Ewigkeit liegt: nämlich in der Sünde der ersten Menschen Adam und Eva, die der Ver­führung durch den Teufel nachgaben, und in der Sünde aller darauffolgenden Menschengeschlechter, von der letztlich die ganze Menschheitsfamilie betroffen ist.

Sünde bedeutet freie Auflehnung gegen Gott, unseren Schöpfer und Erlöser; oder anders ausgedrückt, Beleidigung Gottes. Die Sünde ist die Quelle allen Übels, des persönlichen und des gemeinschaftlichen Übels. Und nur die Bekehrung von einem Leben aus der Sünde zu einem Lebenswandel aus einem existenziellen freien und vollen „Ja“ zu Gott – zu seiner Wahrheit, zu seiner Liebe, zu seinem Willen – nur solche Bekehrung bildet den einzigen, sicheren und hoffungsvollen Weg zum Heil. Gemeint ist das Heil des Menschen in der geistigen, psychischen und physischen Gesamtheit seines Wesens: ein Weg, welcher uns durch die Zeit zu einem ewig währenden glücklichen Leben sicher und unfehlbar führt.

Man fragt heute sehr oft nach dem wirklichen Grund der weltweiten Krise die uns alle bedrängt – Wirtschaftskrise, soziale und politische Krise und sogar Kulturkrise – ohne zu einer überzeugenden Antwort zu gelangen. Ist es vielleicht nicht so, dass man sich scheut, ehrlich und echt zum geistigen und inneren Grund des menschlichen Seins zu schauen? Hat nicht die Stunde geschlagen um anzuerkennen, dass unter den mehr ober­flächlichen Seiten des Menschenseins seine tiefste Schicht sich verbirgt, deren geistige und ethische Feinheit äußerst anfechtbar und verletzlich ist, nämlich die Seele? Die Seele des Menschen wiederzuentdecken, ist dringend notwendig geworden. Man könnte und sollte heute zweifellos von einer neuartigen Krise der Seele sprechen, und zwar nicht nur innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft, sondern leider auch in der Kirche selbst.

Liebe Brüder und Schwestern im Marianischen Messbund, liebe Teilnehmer an diesem feierlichen Hochamt zur Ehre der Allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter Maria, der Mutter der Kirche und unserer Mutter, ohne Sünde in Hinblick auf den Erlösertod Christi empfangen!

Zuversichtlich und hoffnungsvoll dürfen wir uns an Maria wenden und um ihre Fürsprache bitten, damit ein neuer Sieg der barmherzlichen Gnade unseres Herrn Jesus Christus in den Herzen unserer Mitmenschen stattfindet. Innig dürfen wir uns nach einer Welle der Bekehrung zu Ihm sehnen, zu Seiner Liebe, sodass die Krise der Seele in diesem von unserem Heiligen Vater Papst Franziskus ausgerufenen „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“, wenn schon nicht ganz überwunden, so doch gelindert und abgeschwächt wird. Lassen Sie uns diese Bitte mit den Worten von Papst Benedikt XVI. – mit denen er sein postsynodales Schreiben „Sacramentum caritatis“ abschloss – vorbringen: „Maria, die Unbefleckte Jungfrau, Arche des neuen und ewigen Bundes, begleite uns auf diesem Weg dem Herrn entgegen, der kommt. In ihr finden wir das Wesen der Kirche auf vollkommenste Weise verwirklicht. Die Kirche sieht in ihr, <der eucharistischen Frau> – wie der hl. Papst Johannes Paul II sie genannt hat – die gelungenste Darstellung von sich selbst, und betrachtet sie als unersetzliches Vorbild eucharistischen Lebens“. Auf ihre Fürsprache – so wollen wir beten – „entzünde der Heilige Geist in uns dasselbe Feuer, das die Jünger von Emmaus spürten (vgl. Lk 24, 13-15), und erneuere in unserem Leben das eucharistische Erstaunen“ über Seine Anwesenheit in der Eucharistie unter uns! Auf ihre Fürsprache mögen wir eine erneuerte Möglichkeit finden, die Richtung eines dem Evangelium gemäßen Lebens einzuschlagen, d.h., eines Lebensweges unter der Maßgabe der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zu wählen und diesem Weg zu folgen. Auf diese Weise möge uns die Gnade des barmherzigen, gekreuzigten und auferstandenen Christus erfassen, der die Herzen der heutigen Menschen verwandeln kann. Denn nur diejenigen, die von der Liebe Christi in ihrer Seele und mit einer entsprechenden Lebensführung ergriffen werden, werden fähig, die geistlichen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit zu vollbringen. Amen.

Bischof Hanke und der IMB

Der Marianische Messbund Ingolstadt (IMB) steht unter der Protektion des Bischofs von Eichstätt, Gregor Maria Hanke OSB.